Reichswehr-Nachrichtentruppe 1919 - 1933 Die Entstehung und Entwicklung der Nachrichtentruppe der Reichswehr |
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Die militärische Niederlage und die Novemberrevolution hatten Deutschland Ende 1918 in eine tiefe Krise gestürzt. Unter dem Druck der Ereignisse hatte der Kaiser abgedankt und war nach Holland geflohen. Die von den Hafenstädten an der Nord- und Ostsee ausgehende revolutionäre Bewegung hatte ganz Deutschland erfaßt. Am 10.November 1918 war in Berlin der Rat der Volksbeauftragten unter Friedrich Ebert gebildet und von diesem noch am gleichen Tage das Abkommen mit der Obersten Heeresleitung zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Lande geschlossen worden. Die zentrale Führung des Heeres war zusammengebrochen. Seine Verbände und Truppenteile lösten sich mit dem Eintreffen in der Heimat weitgehend auf. Die bisherigen Organisationsformen und Gliederungen verfielen, so daß sich die ursprüngliche Absicht der Obersten Heeresleitung, die Struktur des alten Heeres in das zu bildende Friedensheer zu übernehmen, nicht verwirklichen ließ.
Am 28.Juni 1919 akzeptierte die deutsche Delegation die Bedingungen des von den Siegermächten diktierten Friedensvertrages von Versailles und damit die Reduzierung der sich inzwischen gebildeten Brigadeverbände der Vorläufigen Reichswehr auf 7 Infanterie- und 3 Kavallerie-Divisionen mit einer Gesamtstärke von 100.000 Mann. An die Stelle der Wehrpflicht sollte eine 12-jährige Dienstzeit für die ausschließlich als Freiwillige dienenden Soldaten der Reichswehr treten. Am 1.Januar 1921 war die Umorganisation beendet und die nunmehr bestehenden 7 Nachrichtenabteilungen der Divisionen - insgesamt etwa 2.500 Mann - bildeten die neue Reichswehr-Nachrichtentruppe. Für die drei Kavalleriedivisionen durften keine Nachrichtenformationen gebildet werden und auch bei den Infanterie- und Artillerie-Regimentern der Divisionen gab es keine strukturmäßigen Truppen-Nachrichteneinheiten mehr. Den Regimentern hatte man lediglich eine geringe Geräteausstattung zugestanden; das dafür benötigte Bedienungspersonal mußte bei Übungen und Einsätzen von den Infanteriebataillonen bzw. Artillerieabteilungen kommandiert werden. Als oberste Kommandobehörde fungierte nunmehr die zum Reichswehrministerium gehörende Inspektion der Nachrichtentruppe.
Der Ausbildungsprozeß wurde entscheidend geprägt vom Charakter der Reichswehr als typischer Kaderarmee und von der zwölfjährigen Dienstzeit ihres Personalbestandes. Nach einer fast halbjährigen Grundausbildungsdauer in anderen Truppenteilen erhielten die Nachrichtensoldaten in ihren Stammabteilungen sowohl eine gediegene infanteristische und kavalleristische als auch eine universelle nachrichtentechnische- und nachrichtentaktische Ausbildung, wobei man den Fuß- und technischen Dienst unterschied. Im Fußdienst vervollkommnete der Soldat seine infanteristischen und kavalleristischen Fähigkeiten u.a. im Exerzier- und Schießdienst sowie im Stalldienst und Reiten. Dagegen umfaßte der technische Dienst alle Zweige der Nachrichtenausbildung: den Feldkabel- und Blankdrahtbau, den Aufbau und Betrieb an Fernsprechzentralen, den Aufbau und Betrieb an Funk- und Blinkstellen, das Ver- und Entschlüsseln von Funk- und Fernsprüchen und die Bedienung und Wartung von Motoren. Demzufolge konnte jeder Nachrichtensoldat der Reichswehr als Fernsprecher oder Blinker, in der Regel auch als Funker verwendet werden. Die ebenfalls stark praxisorientierte Trupp-, Zug- und Kompanieausbildung diente nicht nur zur Herstellung der Geschlossenheit der jeweiligen Formationen, sondern auch der Herausbildung von Führereigenschaften bei den im Einsatzfall als Truppführer vorgesehenen Nachrichtensoldaten.
Bestimmend für den planmäßigen Ausbau der Nachrichtentruppe waren die von der Militärpolitik der Weimarer Republik vorgegebenen Entwicklungslinien der Reichswehr. Mit dem Fortschreiten der wirtschaftlichen Stabilisierung konzentrierte sich die Heeresleitung ab 1924 immer mehr auf die organisatorische Vervollkommnung des Heeres, seine innere Konsolidierung und die Erreichung eines hohen Grades an militärischer Perfektion. Große Aufmerksamkeit widmete man den vielseitigen Fragen der Vorbereitung des eigenen Landes auf einen möglichen Krieg und forcierte schrittweise die materielle Wiederaufrüstung, wobei man vorhandene Lücken im Versailler Vertragswerk nutzte bzw. einzelne Bestimmungen gänzlich ignorierte. Und dazu zählten auch verschiedene Maßnahmen der Zusammenarbeit zwischen der Inspektion der Nachrichtentruppe und der Deutschen Reichspost als Bestandteil der von beiden Seiten angestrebten Vervollkommnung des militärischen Nachrichtenwesens.
Die in der Zeit der Weimarer Republik von der Inspektion der Nachrichtentruppe geleistete Arbeit war letztlich von maßgebender Bedeutung für die organisatorische und inhaltliche Weiterentwicklung des militärischen Nachrichtenwesens. In dieser Zeit entstanden nicht nur die Grundlagen für die Gliederung, Ausrüstung und Einsatzorganisation der künftigen Heeres-Nachrichtentruppen, sondern auch die Voraussetzungen für eine umfassende Zusammenarbeit mit der Deutschen Reichspost. Die nachfolgende Entwicklung sollte deutlich machen, daß der Anfang der dreißiger Jahre erreichte Stand aber nur ein bescheidener Anfang war.
Auszüge aus meinen Zeittafeln u.a. Datensammlungen zur Formationsgeschichte der Reichswehr-Nachrichtentruppe 1919 - 1933 |
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31.03.1919
Der Reichswehrminister erläßt Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr, wonach 20 Große und 17 Kleine Reichswehrbrigaden zu je 12.227 bzw. 7.203 Mann aufgestellt werden sollten. Für jede Brigade war eine Nachrichtenabteilung vorgesehen.
28.06.1919
Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles unter dem ultimativen Druck der Siegermächte (Inkrafttreten am 10.01.1920). Im Artikel 160 war festgelegt: " ..... Spätestens am 31.März 1920 darf das deutsche Heer nicht mehr als 7 Infanterie- und 3 Kavalleriedivisionen umfassen. Von diesem Zeitpunkt an darf die gesamte Iststärke des Heeres der sämtlichen deutschen Einzelstaaten nicht mehr als 100.000 Mann, einschließlich der Offiziere und der Depots, betragen. Die Gesamtstärke an Offizieren, einschließlich der Stäbe, ohne Rücksicht auf deren Zusammensetzung, darf die Zahl 4.000 nicht übersteigen."
01.10.1919
Dienstübernahme des Reichswehrministeriums in Berlin gem. den im Heeres-Verordnungsblatt veröffentlichten "Organisationsfestlegungen". Zum Waffenamt - dem späteren Allgemeinen Heeresamt - gehört eine Nachrichtenabteilung W 7, die spätere Inspektion der Nachrichtentruppe.
01.01.1921
Abschluß der Formierung der sieben Divisions-Nachrichtenabteilungen nach drei Umbildungsphasen:
Nachr.Abt. 1 aus: | Rw. Brig. Nachr.Abt. 1 | in: KÖNIGSBERG | für: 1. Division |
Nachr.Abt. 2 | Rw. Brig. Nachr.Abt. 2 u. 9 | STETTIN | 2. Division |
Nachr.Abt 3 | Rw. Brig. Nachr.Abt. 3, 5. u. 8 | POTSDAM | 3. Division |
Nachr.Abt. 4 | Rw. Brig. Nachr.Abt. 4 u. 19 | DRESDEN | 4. Division |
Nachr.Abt. 5 | Rw. Brig. Nachr.Abt. 13 | STUTTGART | 5. Division |
Nachr.Abt. 6 | Rw. Brig. Nachr.Abt. 6 | HANNOVER | 6. Division |
Nachr.Abt. 7 | Rw. Brig. Nachr.Abt. 7 | MÜNCHEN | 7. Division |
Divisions-Nachrichtenabteilung - Stand: 01.12.1924 |
30.06.1922
Das RPM stimmt einem Antrag des RwMin/In 7 zu, ".... daß die Heeresbehörden nach Vereinbarung mit den zuständigen Oberpostdirektionen das Leitungsnetz der Reichstelegraphenverwaltung zu Übungszwecken vorübergehend kostenfrei mitbenutzen dürfen, soweit dessen Betrieb eine solche Mitbenutzung zuläßt."
12.04.1926
Im Raum Grünberg / Schlesien beginnt die vom Chef der Heeresleitung, Generaloberst v. Seeckt, geleitete erste "Stabs- und Nachrichten-Rahmenübung" nach dem Kriege, an der Führungsgruppen aller höheren Stäbe und die sieben Nachrichtenabteilungen der Reichswehr teilnehmen. " .... die Übung diente weniger der technischen Überprüfung der Nachrichtenmittel, als vielmehr der Führerausbildung und der Erprobung der taktischen Einsatzmöglichkeiten der Nachrichtentruppe."
01.10.1928
Gemäß der Verfügung Rw.Min / H.Ltg. Nr. 1435 / 28 g.Kdos T 2 II vom 27.Juli 1928 beginnt bei den 18 Reiter-Regimentern der Reichswehr die Aufstellung von etatsmäßigen Nachrichtenzügen.
01.10.1929
Neugliederung der Divisions-Nachrichtenabteilungen in eine Fernsprech- (1.) und eine Funk- (2.) Kompanie, anstelle der bisherigen gleichartigen Nachrichtenkompanien.
Div.NaAbt. 1 mit | 1.(Fspr)/Div.NaAbt. 1 in: | KÖNIGSBERG | 2.(Fu)/Div.NaAbt. 1 in: | KÖNIGSBERG |
Div.NaAbt. 2 | 1.(Fspr)/Div.NaAbt. 2 | STETTIN | 2.(Fu)/Div.NaAbt. 2 | STETTIN |
Div.NaAbt. 3 | 1.(Fspr)/Div.NaAbt. 3 | POTSDAM | 2.(Fu)/Div.NaAbt. 3 | POTSDAM |
Div.NaAbt. 4 | 1.(Fspr)/Div.NaAbt. 4 | DRESDEN | 2.(Fu)/Div.NaAbt. 4 | DRESDEN |
Div.NaAbt. 5 | 1.(Fspr)/Div.NaAbt. 5 | STUTTGART | 2.(Fu)/Div.NaAbt. 5 | STUTTGART |
Div.NaAbt. 6 | 1.(Fspr)/Div.NaAbt. 6 | HANNOVER | 2.(Fu)/Div.NaAbt. 6 | HANNOVER |
Div.NaAbt. 7 | 1.(Fspr)/Div.NaAbt. 7 | MÜNCHEN | 2.(Fu)/Div.NaAbt. 7 | MÜNCHEN |